Mit der Ministerin im Internet
Wie die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin über das Internet mit
Chattern über Rechtsextremismus diskutierte
BERLIN - taz - Energisch klackern ihre Finger über die Tastatur,
rattern los, schnell, immer schneller: "Mit Tippen habe ich mein Studium
finanziert." Konzentrationsfalten auf der Justizministerinnen-Stirn.
Punkt, Enter, und schon flimmert auf dem Bildschirm eine neue Frage.
Dienstagabend-Chat im Berliner Willy-Brandt-Haus mit Herta
Däubler-Gmelin. 300 Netfreaks und Diskussionswillige haben sich
eingelockt, rund 20 tippen los beim virtuellen Tête-à-tête mit der
SPD-Politikerin. Im Pool: zum Beispiel ein frustrierter Ossi. "Den
Ostdeutschen ist nach 10 Jahren Wiedervereinigung endlich klar, dass sie
nur formal geduldet werden." Ein unterdrückter Ehemann: "Wer kümmert
sich um die Rechte misshandelter Männer? In meiner letzten Ehe wurde ich
geprügelt." Und ein buchstabenkürzelbewehrter Net-Experte: "Kennen Sie
TDG und MDStV?"
Ein Großaufgebot der Medien ist da. Sommerloch, da kommt die Ministerin
gerade recht. Däubler-Gmelin lehnt sich zurück, wenn mal wieder alle
Chatter am Bildschirm ohne sie streiten - "Soll ich euch eine Weile
zusehen oder habt ihr noch Fragen?". Wehrt grinsend Provokationen ab:
"Das ist zwar eine kesse Behauptung, dass die Regierung erst seit einer
Woche die Rechten ernst nimmt, aber ganz eindeutig falsch, nicht?" Tippt
munter los, um ihre Herkunft zu klären: "Ich bin in Pressburg geboren.
Als Kriegskind war das nicht so unüblich."
Und wird dann doch ganz ernst, schaut gemessen auf den Monitor, wenn
hinter den virtuellen Fragen echte Besorgnis spürbar wird: ob man denn
überhaupt etwas gegen die Rechten tun könne, "denn Zivilcourage lässt
sich nicht verordnen", so Chatter Felix. Ein Verbot der NPD, wie ihn der
bayerische Innenminister Günther Beckstein von der CSU verlangt hat,
kann sich die Ministerin vorstellen. Das sei wenigstens ein Teilschritt,
schreibt Däubler-Gmelin zurück. "Wenn irgend möglich, werden wir das
durchsetzen."
Deshalb sei es wichtig, dass zügig alle Informationen aus den Ländern
zusammengetragen werden. Erst dann könne man prüfen, ob ein Verbot
Chancen habe.
Von Brachial-Gerichtsbarkeit hält die Juristin indes wenig: Ob denn
Schnellgerichte sinnvoll seien, die rechte Straftäter flugs abhandeln,
will etwa ein Chatter wissen. "Das ist nicht rechtsstaatlich", schreibt
Däubler-Gmelin. Aktiv werden müsse man aber da, wo noch keine
rechtlichen Mittel existieren. Ihre zentrale Message nicht nur auf dem
Computer-Bildschirm: "Was offline verboten ist, muss auch online
verboten werden." Auch wenn es schon in der Europäischen Union schwierig
sei, übergreifende Normen gegen braune Netzseiten zu finden. Und erst
recht sei es ein Problem, diese Vorgaben dann technisch durchzusetzen.
Dafür müsse man sich auch mit Netzbenutzern und Providern zusammensetzen
und gemeinsam nach Lösungen suchen. Und das fanden nun wiederum "BurkS",
"-pi-" und andere Chatter so spannend, dass sie noch in ihrem eigenen
Chatroom die Tasten fleckig tippten, als der Ministerinnen-Computer
schon längst abgeschaltet war.
COSIMA SCHMITT
taz Nr. 6215 vom 10.8.2000, Seite 6, 105 TAZ-Bericht,
COSIMA SCHMITT
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